ethik alasdair macintyreAbriss zu Alasdair MacIntyre: Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1995

Paul Natterer
Reihe: Aufsätze zur Philosophie

2013
4 Seiten
Sprache: Deutsch
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

Datenübermittlung:

MacIntyre: Der Verlust der Tugend

 

Artikelbeschreibung

Alasdair MacIntyre ist einer der einflussreichsten Moralphilosophen der Gegenwart und Begründer der Tugendethik (virtue ethics). Sein schulbildendes Hauptwerk ist Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1995 [orig.: After Virtue. A Study in Moral Theory, Notre Dame, Ind. 11981]. MacIntyre wird vielfach als ein Vordenker des Kommunitarismus gesehen. Vielleicht sollte man besser sagen: Er reflektiert und integriert die Einsichten des Kommunitarismus am gründlichsten und umfassendsten, aber auch am selbständigsten und kritischsten. Dazu W. Reese-Schäfer (Kommunitarismus, Frankfurt a. M./New York 32001, 48): „Der Wert von MacIntyres Denken liegt in seinem eindrucksvollen Zugriff auf die gesamte Tradition der Moralphilosophie“. Und: „Er stellt nicht wie Burke die Tradition und das historisch Gewachsene dem Vernünftigen gegenüber, sondern er meint, es sprächen gute Argumente dafür, das Richtige und Vernünftige gerade in der alten Tugendtradition zu suchen.“ (ebd. 58) Durch Alasdair MacIntyre wurde diese individual- und sozialethische Tradition neu in die Ethik der Gegenwart eingeführt. Seine These ist, dass sie hinsichtlich Realitätsdichte, Widerspruchsfreiheit und Leistungsfähigkeit allen geschichtlichen und zeitgenössischen Mitbewerbern überlegen ist. MacIntyre, der ursprünglich vom Marxismus herkommt, formuliert in Kapitel 1 von Verlust der Tugend die These:

  • Die moderne Moral ist eine Scheinmoral aus dem Zusammenhang gerissener, inkohärenter, ungeordneter Bruchstücke einer untergegangenen vernünftigen und gelingenden, objektiven ethischen Normen folgenden Theorie und Praxis.
  • Das Beweisziel von Kapitel 2  ist: Das Fehlen objektiver sachlicher Kriterien und die rational unauflösbaren Widersprüche der modernen Scheinmoral erzeugen den die moderne Kultur faktisch prägenden moralischen Emotivismus: Alle moralischen Urteile sind nichtkognitiver Ausdruck von subjektiven Vorlieben, Einstellungen und Gefühlen und emotional-voluntative Beeinflussung der Einstellungen und Gefühle anderer.
  • Kapitel 3  zeigt: Der Emotivismus löscht den Unterschied zwischen manipulativen und nichtmanipulativen sozialen Beziehungen aus. Der typische Charakter der Moderne ist der Manager und Therapeut als Experte moralfreier beruflicher und privater instrumenteller Vernunft in bürokratischer Organisation resp. Psychotechnik. Der Emotivismus erzeugt zwangsläufig die falsche Alternative zweier unvereinbarer Formen sozialen Lebens: (A) Anarchischer Individualismus und Liberalismus sowie (B) kollektivistischer, bürokratischer Autoritarismus (1995, 55). Die moralische Debatte erscheint als Auseinandersetzung zwischen nach willkürlichen Kriterien gewählten unvereinbaren und unvergleichbaren moralischen Prämissen (A) und (B).

Ich glaube, dass MacIntyre im Großen und Ganzen Recht hat und der gründlichste und v.a. Ernst zu nehmende kommunitaristische Moralphilosoph ist. Das vorliegende Skript stellt einen knappen Abriss der Gedankenführung in Verlust der Tugend vor.