L5 Heinrichs

Zusammenfassung zu Heinrichs: Die Logik der Vernunftkritik. Kants Kategorienlehre in ihrer aktuellen Bedeutung, Tübingen 1986

Neubearbeitung: Das Geheimnis der Kategorien: die Entschlüsselung von Kants zentralem Lehrstück, Berlin 2004

Paul Natterer

2009 [2002]
2 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Aufsätze zur Logik und Wissenschaftstheorie
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

Datenübertragung:

Heinrichs: Die Logik der Vernunftkritik

Artikelbeschreibung

In der Kritik der kantischen Urteilstafel seitens der Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie geht es um das Verhältnis von kantischer Allgemeiner Grammatik des Denkens und Dialektik, Semiotik und Hermeneutik. 

Ch. S. Peirce [PhilWeb]Die wichtigsten Kritiken stammen hier einmal von der semiotischen Theorie Charles S. Peirces und deren Weiterführungen in der Gegenwart. [Bild rechts, GNU FDL: Ch. S. Peirce, 1839-1914, Begründer der Semiotik und des Pragmatismus] Vgl. dazu Ralf Müller: Die dynamische Logik des Erkennens von Charles S. Peirce, Würzburg 1999. Dazu kommt die Kritik von Seiten der analytischen Sprachphilosophie. Wichtige Veröffentlichungen sind in letzterer Rücksicht Strawsons (The Bounds of Sense. An Essay on Kant’s Critique of Pure Reason, London 1966, II, 2, 2: Formale und transzendentale Logik, bes. 79–82) Ablehnung der Urteilstafel, und Bennetts (Kant’s Analytic, 2. Aufl. Cambridge 1975, 79ff) Stellungnahme gegen die Möglichkeit der Unterscheidung von Formalem und Materialem in der Logik, und gegen die Vollständigkeits-Behauptung bzgl. der Urteilstafel. Die strawsonsche Erörterung der kantischen Urteilstafel scheint uns allerdings eine der schwächsten Partien seines Kommentars zu sein. Wenn er die wirklich elementaren logischen Formen oder Operationen auf Subjektbegriffe, Prädikate und atomare Subjekt-Prädikat-Urteile reduziert, dann geht er auf Kants eigentliches Thema gar nicht ein. Schwyzer (How are Concepts of Objects Possible? In: Kant-Studien 74 (1983), 22–44) bringt die Kritik Strawsons und Bennetts so auf den Punkt, dass die Auszeichnung bestimmter logischer (Urteils)-Formen als ursprüngliche oder grundlegende stets willkürlich geschehe (Schwyzer 1983, 35), und hält es für eine denkerische Sackgasse, von der allgemeingültigen Urteils- und Kategorientafel zu sprechen, sondern schlägt dafür das Weiterdenken in Richtung von anwendungsspezifischen Formen (particularized rules) wittgensteinscher Sprachspiele vor. Denn: „No proposition is, as it were, of itself grammatical“ (Schwyzer 1983, 43), wobei grammatical hier die Kategorien als logisch-grammatische Formen meint.

Der sowohl die Kritik seitens der hegelschen Dialektik aufnehmende als auch im Zusammenhang der sprachphilosophischen Kritik der Urteilsformen ausführlichste Beitrag ist nach wie vor Heinrichs: Die Logik der Vernunftkritik. Kants Kategorienlehre in ihrer aktuellen Bedeutung, Tübingen 1986 [neubearb. als: Das Geheimnis der Kategorien: die Entschlüsselung von Kants zentralem Lehrstück, Berlin 2004). Das Skript fasst die Hauptthesen von Heinrichs (1986) zusammen. Sie beleuchten die wichtigsten Streitpunkte.

Einschlägig sind hier ferner Heinrichs spätere Veröffentlichungen. Deswegen ein Wort dazu. Deren Grundlegung ist: Handlungen. Das periodische System der Handlungsarten [Philosophische Semiotik Teil I], München et al. 22007. Sprache wird hier als reflexionslogische Semiotik und diese als Metahandeln gefasst. Sodann die Sprachlogik unter dem Titel Sprache in fünf Bänden [Philosophische Semiotik Teil II]. Band 1: Die Zeichendimension, München et al. 22008. Band 2: Die Bedeutungsdimension, München et al. 22008. Band 3: Die Handlungsdimension, München et al. 22008. Band 4: Die Satzbauformel, München et al. 22009. Band 5: Textsorten und Stilfiguren (Stilistik), München et al. 22009. Die mehrbändige Sprachphilosophie ist eine beeindruckende und über große Strecken sehr originelle Leistung: „Ich kenne niemanden unter den ... Kollegen, der so eindrunglich umfassende systematische Absichten verfolgt und so einleuchtende Vermittlungen leistet“ (Wolfgang Janke).

Im Einzelnen scheint mir, dass Heinrichs mit der vierdimensionalen Sprachsystematik bzw. -modell (Sigmatik — Semantik — Pragmatik — Syntax) ein wirklicher Fund gelungen ist, der in dieser differenzierten und folgerichtigen Ableitung neu ist und evidente Mängel des tradierten Sprachmodells von Ch. Morris aufzeigt: „Was Leibniz und Herder noch als fernes Ziel vorschwebte, liegt [… hier] vor: die vollständige Ausformulierung der allen Sprachen zugrunde liegenden Strukturen.“ (Prof. Roland Duhamel, Antwerpen, Vorsitzender des belgischen Germanistenverbandes). Insbesondere die Satzbauformel der Syntax überzeugt. Der Autor setzt an, dass der Grammatik und dem Wortschatz (Lexikon) der Sprache „eine universale Logik zu Grunde liegt“ und beansprucht, dass seine „Systematik der zusammengesetzten Prädikation, besonders der Konjunktionalsätze, der ‚modernen‘ Junktorenlogik nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen ist.“ Was in der Handlungstheorie und Sprachphilosophie ebenfalls sehr gut zur Darstellung kommt, ist die genaue Natur und argumentative Begründung der von Heinrich verteidigten Reflexionstheorie des Selbstbewusstseins in Auseinandersetzung mit Dieter Henrich u.a.