Aufsätze zur Klassischen Philologie und Orientalistik
Ciceros Rhetorik
Paul Natterer
Reihe: Aufsätze zur Klassischen Philologie
2009
18 Seiten
Sprache: Deutsch
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4
Datenübermittlung:
Ciceros Rhetorik
Artikelbeschreibung
Marcus Tullius Cicero (106-43 v. C.) arbeitete und kämpfte für das Ideal des vollkommenen Redners, der Rhetorik und Philosophie verbindet. Cicero ist anerkanntermaßen der wohl fähigste und erfolgreichste Sprecher im Bereich der Römischen Zivilisation. Ciceros rhetorischer Werdegang fällt zudem in eine der auch weltgeschichtlich interessantesten und dramatischsten Epochen. In dem 20-jährigen Ringen zwischen Römischer Republik und der Monarchie der Kaiserzeit war Cicero der maßgebliche Vordenker, Sprecher und Vorkämpfer der Sache der Republik – gegen Catilina, gegen Cäsar und gegen Antonius.
Es ist zwar kein Zufall (sondern Voraussetzung seiner Größe), aber für die Sache dennoch ein Glücksfall, dass dieser Mann sich zugleich auch theoretisch ausführlich mit der Rhetorik befasst hat und – unter anderem – 55 v. C. das mit gültigste und gehaltvollste Handbuch der Rhetorik verfasst hat, den Dialog de oratore. Ciceros Thesen zur Rhetorik sind hierin diese:
(1) Rhetorik verbindet universelle Bildung mit deren Darstellung und Vermittlung.
(2) Sprache ist der Inbegriff des eigentlich Menschlichen: Sie macht seinen Vorrang vor Tieren aus. Rhetorik als Sprachmeisterung ist die eigentliche Selbstverwirklichung des Menschen.
(3) Die Trennung von Denken (Philosophie) und Sprechen (Rhetorik) ist falsch.
(4) Maximalbedingungen des idealen Redners sind: Natürliche Begabung – Praktische Übung – Studium von Theorie und Technik der Rede – Allgemeinbildung.
(5) Minimalbedingungen des idealen Redners sind Verstandesschärfe – Gespür und Einfühlung – Lebenserfahrung.
(6) Inhaltliche Beherrschung öffentlichen Redens umfasst die Informationsebene (probare), die Kontaktebene (conciliare) und die Emotionsebene (movere).
(7) Formale Beherrschung des öffentlichen Redens (I): Einheit von Inhalt und Form: „Da jede Rede aus Sachen und Worten besteht, so können weder die Worte eine Grundlage haben, wenn man ihnen die Sachen entzieht, noch die Sachen Licht, wenn man die Worte davon absondert.“ (III, 19)
(8) Die Einheit von Geistes-, Ausdrucks- und gesellschaftlicher Gestaltungskraft ist das anzustrebende Ideal oder die Norm.
(9) Diese Norm richtet sich sowohl gegen die Trennung von Geist und Macht und die damit verbundene Mittelmäßigkeit in der Politik und im öffentlichen Leben, wie auch gegen die Trennung von Geist und Sprachbeherrschung oder von Rhetorik und Philosophie.
(10) Formale Beherrschung des öffentlichen Redens (II): Sachbeherrschung ist die Mutter der Ausdruckskraft.
(11) Formale Beherrschung des öffentlichen Redens (III): Sprachliche Gestaltung umfasst Wortwahl, Satzbau und Textarchitektur.
(12) Formale Beherrschung des öffentlichen Redens (IV): Fesselnde und bewegende sprachliche Gestaltung erfordert rhetorische Figuren des Gedankens und des Ausdrucks.
(13) Öffentliches Sprechen ist Tat und Leben: „Der äußere Vortrag hat in der Beredsamkeit die größte Macht“ (III, 213), denn „der äußere Vortrag ist ... die Sprache des Körpers. Um so mehr muss er mit dem Geist in Einklang stehen (III, 223).
Der Aufsatz enthält eine ausführliche Vorstellung und Begründung der Thesen von Ciceros Dialog de oratore.