E0.Neutrale TheorieMotoo Kimura und John Sanford zur Neutralen Theorie der molekularen Evolution und zur These der genetischen Entropie

Paul Natterer
2010
4 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Aufsätze zur Philosophie der Naturwissenschaften
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

Datenübertragung:

Neutrale Theorie der molekularen Evolution

Artikelbeschreibung

Offizielle Schätzungen in der genetischen Evolutionsbiologie besagen, dass auf eine nützliche Mutation 10.000 (das ist das Minimum) bis 1.000.000 schädliche Mutationen kommen. Bei der sehr vorsichtigen und konservativen Schätzung von 1:10.000 bedeutet dies, dass lediglich 0,0001 % der Punktmutationen positiv sind (vgl. Sanford, J. C.: Genetic Entropy & the Mystery of the Genome, London 2005, Kap. 2). Die Evaluation des empirischen Befundes geht ferner dahin, dass 70 bis 80 % der negativen Mutationen von der natürlichen Auslese nicht erfassbar sind. Bei den seltenen Punktmutationen mit einer Tauglichkeitszunahme werden sogar 99 % von der natürlichen Auslese nicht erfasst. Das heißt: Die allermeisten Mutationen sind im Blick auf die darwinistische Selektion near-neutral.

Dies hat zur Formulierung der sog. Neutralen Theorie der molekularen Evolution durch Motoo Kimura (1924–1994) geführt, den führenden Evolutionsgenetiker und großen alten Mann der Populationsgenetik nach dem Zweiten Weltkrieg. Die grundlegenden Berechnungen Kimuras gehen dementsprechend dahin, dass  phänotypische Überlegenheit nur mit 0,4 % die Gesamtvererbung beeinflusst. Das heißt: Von o.g. 0,0001 % vorteilhafter Mutationen werden noch einmal 99% von der natürlichen Auslese nicht erfasst und bringen somit keinen Wettbewerbsvorteil. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber, dass parallel dazu die negativen Mutationen, welche 99,9999 % aller Mutationen ausmachen, und selber auch zu 70 % bis 80 % nicht von der Selektion erfasst und eliminiert werden, sich trotz der genetischen Kontroll- und Reparaturmechanismen tendenziell massiver als positive Mutationen im Genom akkumulieren, sodass der maßgebliche Pionier der Gentechnologie, John Sanford, von einer genetischen Entropie spricht, also einer fortlaufenden Komplexitätsverringerung und Abbaus von sinnvoller und nützlicher Information im Genom. Mehr zur Neutral resp. Near-neutral-Theory der Evolution und zur genetischen Entropie-These finden Interessierte in diesem Skript.