Physik4 Spez Relativität ModSpezielle Relativitätstheorie: Diskussion von Raum und Zeit

Paul Natterer
2018 [2008]
17 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Aufsätze zur Philosophie der Naturwissenschaften
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

Datenübertragung:

Spezielle Relativitätstheorie: Diskussion von Raum und Zeit

Artikelbeschreibung

Das Papier listet Eckdaten zur speziellen Relativitätstheorie, um 1905 entwickelt von Henri Poincaré (1854—1912, Präsident der französischen Akademie der Wissenschaften in Paris) und Albert Einstein (1914—1932 Direktor des Kaiser-Wilhelm-[heute: Max-Planck-]Institutes für Physik in Berlin; 1932—1955 am Institute for Advanced Study in Princeton. Nobelpreis 1921). Die mathematische Vorarbeit stammte von dem seinerzeit führenden theoretischen Physiker Hendrik A. Lorentz (1853—1928, Nobelpreis 1902), der darüber hinaus — wie auch Poincaré — eine eigenständige physikalische Interpretation zur Relativitätsdiskussion vorlegte. Es interessieren dabei mehr die Gesichtspunkte der Relativitätstheorie, die für unser Bild von der Welt wichtig sind, nicht so sehr der mathematische und technische Apparat, der in vielen auch allgemeinverständlichen Aufsätzen, Büchern und Filmen dargestellt wird. Dies umsomehr als die Allgemeinverständlichkeit sich offensichtlich auf naturwissenschaftliche Laien beschränkt: Der Experte Nr. 1 für physikalische Längen- und Zeitmessung Louis Essen (1908—1997) erzählt in seinen Memoiren, dass praktisch alle Physikerkollegen ihm erklärten, die spezielle Relativitätstheorie nicht zu verstehen, sondern nur der etablierten Meinung zu glauben (vgl. R. Essen: The Birth of Atomic Time. Includes the Memoirs of Loius Essen, Peterborough 2015, Kap. 6: Relativity, 73—82).

Essen, Physiker des britischen National Physical Laboratory (NPL), war bzw. ist ist der Vater der Caesium-Atomuhr und damit des heutigen internationalen Zeitstandards und er hat mit der exakten Vermessung der Lichtgeschwindigkeit und des Lichtjahres auch die Längenmessung revolutioniert und einen neuen weltweit geltenden Längenstandard definiert. Als Essen zur Überzeugung kam, dass auch Experten unter den theoretischen Physikern die Relativitätstheorie nicht verstanden und mit unlogischen Gedankengängen gegensätzlich deuteten, evaluierte er dieselbe und widmete dem Thema eine Reihe von Aufsätzen in dem führenden Wissenschaftsperiodikum Nature sowie ein eigenes Buch: The SpecLouisEssen UdoAdelsberger CC BY SA 2.5ial Theory of Relativity: A Critical Analysis, Oxford University Press 1971. Essen: "Much of the discussion about the theory was concerned with the readings of clocks when they are moving relatively to each other, and since I had a wide experience of comparing clocks and measuring time it seemed to be almost a duty to take a closer interest in the controversy [...] I had more practical experience in these matters than all the relativitists put together." (a.a.O. 2015, 73f) [Foto links: Louis Essen (rechts) mit dem deutschen Experten für Zeitmessung und Erfinder der Quartzuhr Prof. Udo Adelsberger, Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig (PTB)]

Das Fazit des "Time Lord" (The Guardian): "I concluded that the theory is not a theory at all, but simply a number of contradictory assumptions together with actual mistakes" (Brief v. 25.03.1984 an den Physikerkollegen Dr. C. Zapffe). Essens Memoiren dazu: "It is always better to refer to the original papers rather than to second hand accounts and I, therefore, studied Einstein’s famous paper, often regarded as one of he most important contributions in the history of science. Imagine my surprise when I found that it was in some respects one of the worse papers I had ever read [...] There were definite errors about which there can be no argument" (a.a.O. 2015, 73—82).

Unser Skript stellt die Thesen der Standardtheorie dar (siehe in Folge (1) bis (5)) zusammen mit einer knappen Diskussion derselben. Dazu treten einige weiterführende Überlegungen zur physikalischen Diskussion von Raum und Zeit (siehe in Folge (6) bis (9)). Hier die Thesen:

(1) Es gibt keinen absoluten physikalischen Raum
(2) Es gibt keinen physikalischen Mittelpunkt des Universums
(3) Es gibt keine absolute physikalische Zeit
(4) Geschwindigkeitszunahme korreliert mit Längenschrumpfung, Zeitdehnung und Masse-/ Energiezunahme
(5) Existenz einer gemeinsamen physikalischen Welt und Zeit nur im Bereich des Horizontes der Lichtgeschwindigkeit

Die weiteren Gesichtspunkte zur Physik von Raum und Zeit sind diese:

(6) Räumliche Ausdehnung ist eine emergente Eigenschaft makroskopischer Objekte ab dem atomaren Niveau
(7) Die Geometrie des Raumes ist frei wählbar bei epistemischem Primat des (annähernd) euklidischen Wahrnehmungsraums (Reichenbach)
(8) Zwei Theorien zum Verhältnis von Raum und Geometrie: (a) Physikalischer Primat des (Quanten-)Kraftfeldes vor dem Raum (= leere Arena): Der Raum qua Raum hat keine innere geometrische Struktur (Reichenbach, Grünbaum, Salmon, Wheeler, Auyang) versus (b) Substantielle Raumtheorie: Raum-Zeit-Geometrie als 'magisches' Baumaterial des Kosmos (Friedman)
(9) Subjektive Erlebniszeit [= Erlebte Dauer] als biologische Anschauungsform [= intuitives Zeitschema] und begriffliche Idee [= kognitive Synthesis] ist Fundament der modalen Zeitordnung (Zeitfluss: Vergangenheit — Gegenwart — Zukunft), und hat Priorität vor der physikalischen relationalen (topologischen) und metrischen Zeitordnung [Die These findet sich in unterschiedlicher Ausprägung und Akzeptanz bei Kant, Mach, Bergson, Husserl, Einstein, Reichenbach, Grünbaum, Bieri, C. F. von Weizäcker, Rohs, Auyang]

Das Papier wurde 2017/2018 überarbeitet und stark erweitert. Obiges Vorschaubild entstammt der früheren Version.