KW Mentale Geometrie Gärdenfors B

Thesenübersicht zu Gärdenfors, P.: Conceptual Spaces. The Geometry of Thought, Cambridge, Mass. 2000

Paul Natterer
2006
5 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Aufsätze zur Psychologie und Kognitionswissenschaft
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

Datenübertragung:

Gärdenfors: Conceptual Spaces (2000)

Artikelbeschreibung

Zur Formalisierung des Denkens in der Logik gesellt sich in der Gegenwart die Simulation des Denkens in der Kognitionswissenschaft (KW) als angewandter Logik oder Semiotik. Der Einsatz des Computers als Denkmodell und als Forschungsmethode, verbindet kognitionswissenschaftliche Grundlagenforschung und Anwendungsgebiete über unterschiedliche Disziplinen hinweg. 

Peter Gärdenfors [Universität Lund]Die KW verwendet dabei fast ausschließlich das sogenannte Symbolverarbeitungsparadigma. Konzeptualistische Propositionen und / oder lingualistische Sätze und / oder imaginale, spatiotemporale (analoge) Bilder werden als Wissensrepräsentationen oder Datenbasen nach formalen Regeln manipuliert bzw. verarbeitet.
Der Verarbeitungsprozess wird dabei entweder logisch verstanden: als nachgebesserte deduktive Standardlogik (Logik der Circumscription, Defaultlogik, Autoepistemische Logik); oder er wird linguistisch verstanden: als angeborene mentale Sprache des Denkens in Isomorphie zur Realität (Fodor); und / oder als Konstruktion und Manipulation mentaler Modelle oder Schemata (Johnson-Laird). Daneben gibt es gemischte Ansätze, die die diagrammatische (mentale Modelle) und algebraische (logische Formeln) Dimension verbinden (etwa Peter Gärdenfors, Universität Lund, Foto links, mit freundlicher Genehmigung des Autors).
In der Regel wird der Geist dabei interpretiert als ein informationsverarbeitender Automat oder Medium. Die KW setzt so stillschweigend eine explizit erzeugte Wirklichkeit voraus, die analysierbar ist in kontextunabhängigen Daten – ohne die in Folge aufgelisteten vorgängigen Leistungen zu behandeln, vor [!] der logischen, linguistischen oder imaginalen Modellierung und Formalisierung des Denkens und Handelns:

- Deskriptive Strukturanalyse (Kategorialanalyse).
- Verstehende Interpretation (Hermeneutik): Operationen in Symbolsystemen sind zwar auch bedeutungssensitiv, aber nicht im normalen Vollsinn. Erst die semantische Kompetenz des Benutzers eines Systems interpretiert und fixiert den Inhalt der Zeichen. Die Interpretation von Zeichen und die Ermittlung ihrer Wahrheit besteht nicht im mechanischen Dekodieren einer Zeichenkette, sondern im korrekten Verständnis des Bezeichneten und dessen systematischer Einbettung in vorausgesetzten Selbstverständlichkeiten (Searle, Bealer).
- Vorwissen (Präsuppositionslogik) – kreative Hypothesenbildung (Abduktionslogik) – empirische Hypothesenbestätigung (Induktionslogik).
- Pragmatik und Rhetorik: Argumentation ist eine kommunikative Handlung. Argumentieren hat ferner primär und erstrangig nicht formale Topoi, sondern materiale Topoi zur Basis (Toulmin, Hintikka).
- Phänomenologie: Wahrnehmung folgt nicht dem behavioristischen Reiz-Reaktions-Paradigma, sondern ist das Resultat von Selektion, Identifikation, Organisation und Konstruktion. Wahrnehmung ist ferner nicht nur symbolverarbeitend, sondern hat subsymbolische, unbewusste, intuitive neuronale und phänomenonale Prozesse zur Voraussetzung. Dies ist die Vorkonstitution hochstufiger symbolverarbeitender und regelgeleiteter Kognition in passiver Synthesis. Dem trägt allerdings der sogenannte PDP-Ansatz der KW Rechnung: Parallel verteilte Informationsverarbeitung (Parallel-Distributed-Processing) thematisiert diese subsymbolische Mikroebene der Kognition (Churchland).

Im Fazit: Die KW als Simulation oder Reproduktion des Denkens ist nicht dasselbe wie eine Definition oder Theorie der Kognition.

Die oben gelisteten und für eine Theorie und nicht nur Simulation der Kognition unabdingbaren kognitiven Leistungen integriert in der KW nach meinem Kenntnisstand am ehesten Peter Gärdenfors. Vgl. ders.: Conceptual spaces. The Geometry of Thought, Cambridge, Mass. 2000. Annähernd gilt das auch, in Verbindung mit einem etwas eigenwilligen Ansatz, von George Lakoff, einem Hauptgewährsmann Gärdenfors' und phänomenologisch ausgerichteten Vordenker des Ansatzes des Embodied Mind. Gärdenfors' differenzierte Synthese ist cum grano salis als neokantisch zu bezeichnen. Das Papier skizziert Gärdenfors' Ansatz.