N2. Psycho-Physik

Objektive Sinnesphysiologie — Wahrnehmungspsychologie — Psychophysik

Paul Natterer
2008 [2002]
3 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Aufsätze zur Psychologie und Kognitionswissenschaft
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

Datenübertragung:

Objektive Sinnesphysiologie — Wahrnehmungspsychologie — Psychophysik

Artikelbeschreibung

Die Schnittstellen zwischen dem Universum der Physik (siehe Menu Ontologie und Menu Philosophie der Physik) und dem Neuronenuniversum sind unsere Sensoren und Motoren (Effektoren). Sensoren sind unsere Sinnesorgane, die Energie und Information aus dem Universum der Physik aufnehmen. Motoren sind die Muskeln, speziell die Willkürmotorik, die Energie und Information an das Universum der Physik abgeben, etwa durch Meißeln oder Sprechen. Menschen sind nun in besonderer Weise „Augentiere“. Die Augen sind unsere wichtigsten Sensoren. Fledermäuse und Delphine etwa sind dagegen akustisch orientiert: „Hörer“; Wühlmäuse und Maulwürfe sind wiederum „Taster“. Unser wichtigstes Fenster zur Welt ist das Sehen, die visuelle Wahrnehmung. Es ist auch die wichtigste anschauliche Basis für Denken und Sprechen. Exemplarisch sind hierfür die ersten Sätze von Aristoteles’ Metaphysik:

„Alle Menschen streben von Natur nach Wissen. Dies beweist die Liebe zu den Sinneswahrnehmungen; denn auch ohne den Nutzen werden sie an sich geliebt und vor allen anderen die Wahrnehmungen mittels der Augen. Nicht nämlich nur zum Zweck des Handelns sondern auch wenn wir nicht zu handeln beabsichtigen, ziehen wir das Sehen so gut wie allen andern vor. Ursache davon ist, daß dieser Sinn uns am meisten Erkenntnis gibt und viele Unterschiede aufdeckt.“ (Aristoteles’ Metaphysik, A 1; 980,a 21–27. Zitiert nach Aristoteles: Metaphysik [griech.-dt.] / in d. neubearb. Übers. von Herrmann Bonitz. Mit Einl. u. Kommentar hrsg. von Horst Seidl, Hamburg (1978)

Der Gesichtsinn ist also der insgesamt leistungsstärkste Sensor des Menschen, auch wenn der menschliche Tastsinn ähnlich leistungsstark ist: Vgl. dazu Aristoteles, De anima, 421 a 20–30: „Tasten ... ist beim Menschen das allergenaueste [Organ]. Denn in den anderen Organen bleibt er hinter vielen Tieren zurück, im Tastsinn ist er aber unvergleichlich viel genauer als die anderen.“

Auge, Sehen, Licht sind darüber hinaus Bilder und Analogien (Metaphern) für Geist, Erkennen, Wissen. Man sagt etwa: im Licht der Vernunft oder mit dem inneren Auge ein Problem von allen Seiten an-sehen, ins Licht stellen, aus-leuchten und ein-sehen.

Es verwundert daher nicht, dass auch die Neurowissenschaft oder Gehirnforschung hier ansetzt „weil wir Menschen sehr augenorientiert sind“ (Crick/Koch: Das Problem des Bewußtseins. In: Spektrum der Wissenschaft 11, 1992, 144). Die Wahrnehmungs-Psychologie konzentriert sich gleichfalls hierauf, „weil bestimmte Sinneserfahrungen nur oder überwiegend visuell erfaßt werden...“ und „die visuelle Wahrnehmung im Mittelpunkt verschiedener Grundsatzdiskussionen zur Wahrnehmungstheorie“ stand (Rock: Wahrnehmung. Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen, Heidelberg 1985, Vorwort).

Wir erörtern daher die Schnittstellen zwischen unserem lebenden, biologischen Organismus und der aus Information und Energie bestehenden physikalischen Umwelt ebenfalls schwerpunktmäßig am Modell der visuellen Wahrnehmung. Die hier zuständigen wissenschaftlichen Disziplinen sind die objektive Sinnnesphysiologie, welche die biologische Struktur und das objektive biologische Funktionieren der Sinne untersucht; die Wahrnehmungspsychologie, welche die subjektive Empfindung und ihre Qualitäten zum Inhalt hat; sowie die Psychophysik, welche die Beziehungen zwischen der objektiven Sinnesphysiologie und der subjektiven Wahrnehmung zum Gegenstand hat.