Scheeben: Geschichte der TheologieScheeben: Geschichte der Theologie

Paul Natterer
Aufsätze zur Religionsphilosophie

2017/18
28 Seiten
Sprache: Deutsch
Ausgabe: PDF-Datei
Format: 15,5 x 22 cm

 

Datenübermittlung:

Scheeben: Geschichte der Theologie

Artikelbeschreibung

Dass es sinnvoll ist, sich mit den Klassikern der Theologie zu beschäftigen und zwar sinnvoller als mit Autoren des 19./20 Jh., dazu folgende Erinnerung. Der Kantforscher und langjährige Mitherausgeber der Kant-Studien Joachim Kopper (1925—2013) war über Jahrzehnte eine prägende Gestalt im Fach Philosophie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und an der Université de Bourgogne in Dijon. Im Wintersemester 1992/93 hielt er ein Hauptseminar zu John Lockes Essay concerning Human Unterstanding. Es blieb mir vor allem wegen eines engagierten, ja zornigen Exkurses in Erinnerung. Dieser betraf die Qualität der universitären Bildung vor und nach dem großen Traditionsbruch in der Säkularisation und zuvor schon im Protestantismus (Kopper war selbst meines Wissens Protestant). Nachdem er an einigen Beispielen Lockes Erkenntnistheorie als verschwommen und widersprüchlich dargestellt hatte, sagte er:

„Was sich hier zeigt, ist ein Symptom für die allgemeine Lage. Was wir hier machen, ist Stümperei. Wir sind alle Dilettanten. Wir beschäftigen uns ein paar Semester einige Stunden die Woche mit einigen Texten zu verschiedenen philosophischen Disziplinen — oberflächlich und ohne Zusammenhang. Und nennen uns dann Experten. Das ist doch lächerlich. Wenn wir wirklich Experten sehen wollen, und ein professionelles akademisches Bildungssystem, müssen wir zu den Scholastikern und wissenschaftlich orientierten Orden des Mittelalters und der frühen Neuzeit gehen. Diese Leute haben sich in exklusiver Konzentration auf die Wissenschaft während Jahren in den Artes Liberales universell gebildet und sich dann wieder viele Jahre exklusiv Tag für Tag in Studium und Disputation in ihrem Spezialgebiet ausgebildet. Das Ganze unterstützt durch konsequente Aszese und spirituelle Sammlung. Was sie dann zu sagen hatten, hatte Gewicht. Das waren wirkliche Experten.“

Nun, wenn wir Koppers Forderung Ernst nehmen und ihr nachkommen wollen, gibt es wahrscheinlich keinen besseren Leitfaden als den Kölner Theologen Matthias Joseph Scheeben (1835­—1888). Nicht wenige halten ihn für einen der bedeutendsten Theologen der Moderne. Seine in Rom erworbene souveräne Kenntnis der griechischen und lateinischen Väter des ersten christlichen Jahrtausends und sowie der Scholastik des zweiten Jahrtausends ist legendär. Man hat öfters angemerkt, dass Scheebens Sozialisation, Antrieb und spekulative Kraft ansonsten dem Deutschen Idealismus und der Romantik nahestehen. Scheeben hat seiner Theologischen Erkenntnislehre [Dogmatik I, Freiburg 21948, 447—489] eine als klassisch geltende Geschichte der Theologie beigegeben, die mehrfach übersetzt wurde.

Am philosophischen, juristischen und theologischen Leistungsniveau kann — so Scheeben — die epochenübergreifende Ausnahmestellung der messianischen Zivilisation und Wissenschaftskultur besonders gut abgelesen werden kann. Sie deklassieren nach Quantität und Qualität alles, was sich im Alten Orient und in der griechisch-römischen vorchristlichen Antike findet, und bei weitem die wissenschaftliche Produktion Indiens und Chinas. Auch die arabische Scholastik des 9. bis 11./12. Jh. blieb eine kurze und dann vom Islam für immer geächtete Episode, deren Träger mehrheitlich — im arabischen Machtbereich lebende — syrische und griechische Gelehrte der christlichen Elite waren. Sonstige potentielle Mitbewerber in anderen Epochen und Kulturen gibt es nicht. Der Pionier der interkulturellen Philosophiegeschichtsschreibung Kurt Schilling (Weltgeschichte der Philosophie, Berlin 22006) machte hierzu eine doppelte aufschlussreiche Beobachtung, wie mir seine Lektorin einmal mitteilte. Einmal die, dass bis zur Mitte des 20. Jh. die philosophischen und theologischen Systeme Indiens und des Fernen Ostens praktisch nur historisch-philologisch und nicht systematisch aufgearbeitet worden waren. Hier sah er eine wichtige Herausforderung für sich. Aber er realisierte — dies die zweite Beobachtung —, dass die philosophisch-theologischen Produktionen des Ostens letztlich systematisch keinen Vergleich mit der Exzellenz der griechisch-römisch-germanischen Zivilisation aushalten.

Wir geben eine Skizze der Übersicht Scheebens, die wir abgesehen von kurzen Seitenblicken durch diese drei Exkurse ergänzen: (I) Ideen- und realgeschichtlicher Hintergrund der Theologischen Hochschule Alexandrien (II) Klassische Zivilisation der Exzellenz (III) Theologen als Moderatoren der Modernisierung und Dynamisierung Chinas und Amerikas.