Anmerkungen zu Schmitt Die Moderne und PlatonAnmerkungen zu Schmitt: "Die Moderne und Platon"

Paul Natterer
2009
58 Seiten
Sprache: Deutsch
Reihe: Sonderdruck Edition novum generale 1. E-Version
Ausgabe: PDF-Datei
Format: DIN A4

 

 

Datenübertragung:

Anmerkungen zu Schmitt: "Die Moderne und Platon"

Artikelbeschreibung

A. N. Whiteheads Formulierung „Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, daß sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht“ (Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie. Frankfurt 1979, 91 [engl. Orig.: Process and Reality. An Essay in Cosmology, 1929]) ist zu einem geflügelten Wort geworden. Es ist cum grano salis richtig. Neben „persönlichen Begabungen“ sieht Whitehead als entscheidende Ursachen Platons „Beerbung“ einer großen interkulturellen „philosophischen Tradition“ und „seine Erfahrungsmöglichkeiten in einer großen Phase der Zivilisation“ (ebd.). In letzterer Hinsicht hatte Platon (427-347 v.C.) Anteil an der explosionsartigen politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Dynamik der griechischen Weltmetropolen Athen und Syrakus. In ersterer Hinsicht verdankt Platon sehr viel dem großen Mathematiker, Philosophen und spirituellen Reformer Pythagoras, der seinerseits in persönlichen Studienaufenthalten die bahnbrechenden mathematischen, astronomischen, technischen Errungenschaften der ältesten Hochkulturen und Wissenschaftszentren Ägypten und Babylonien kennen gelernt und verarbeitet hatte.

Die gegenwärtig vielleicht einflussreichste Darstellung des Platonismus und dies durchaus im internationalen Maßstab, ist Arbogast Schmitt: Die Moderne und Platon. Zwei Grundformen europäischer Rationalität, 2. Aufl. Stuttgart 2008, 596 S. Es handelt sich um eine diachrone und fachübergreifende Rekonstruktion mit systematischem Anspruch, welche konkurrierende philosophische und wissenschaftstheoretische Ansätze (Descartes, Kant, Hegel, Carnap, Gadamer u.a.) mit den platonischen Einsichten und Argumenten konfrontiert und von denselben her der Kritik unterzieht. Die Kernthese des Buches rekonstruiert die zentralen und – wie die Geschichte der Analytischen Philosophie ab der zweiten Hälfte des 20. Jh. gezeigt hat: sachlogisch unverzichtbaren –  Einsichten der platonischen Philosophie im modernen Horizont. Das ist die unbestreitbare Stärke und Leistung des Buches. Es ist ein Plädoyer für die bleibende wissenschaftliche und praktische, lebensweltliche Relevanz des Platonismus und eine Offenlegung der systematischen Defizite bei Ignorierung desselben, etwa im Hellenismus, Empirismus, Cartesischen Rationalismus, Deutschen Idealismus, oder in der Analytischen Philosophie.

Das Plädoyer hat m.E. allerdings auch methodische Schwächen, welche geeignet sind, dessen Überzeugungskraft nicht wenig zu beeinträchtigen. Die vorliegende Abhandlung bietet eine Diskussion des Werkes und dient auch der Aufklärung und Korrektur dieser angesprochenen Schwächen, was schlussendlich das Anliegen des Buches nur stärkt. Denn die erkenntnis- und handlungstheoretischen Kernthemen und -einsichten des Buches sind bahnbrechend und sollten in systematischer Hinsicht so stark wie möglich gemacht werden. Ergänzend kann dies auch dadurch geschehen, indem – in wirkungsgeschichtlicher Hinsicht – gezeigt wird, dass Platon direkt oder in vermittelter Form bis heute Denker und philosophische Ansätze weitaus stärker beeinflusst und prägt als das in Platon und die Moderne angenommen wird.